Grüner Film: Wie funktioniert "Green Shooting" bei der Bavaria Fiction?

Abendzeitung München, 30.10.2022
Von Sven Geißelhardt

München - Einfach mal ins Kino gehen und die alltäglichen Probleme vergessen: Was kann es Schöneres geben?! Bei großen Blockbustern sind Themen wie Nachhaltigkeit und ökologischer Fußabdruck für die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer nicht so wichtig – es sei denn, man schaut sich ein Emmerich-Action-Spektakel à la "The Day After Tomorrow" an. Bei solchen Filmen spielt die Umwelt und das Klima eine eher untergeordnete Rolle, es geht vielmehr um Effekte und Bilder.

Ganz anders schaut es hinter den Kulissen aus, zumindest wenn es nach den Grundsätzen der Bavaria Fiction geht. Denn hier werden Umwelt- und Klimaschutz großgeschrieben. Bereits seit 2013 ist der 27 Hektar umfassende Medienstandort Geiselgasteig vollständig klimaneutral. "Wir haben die Verantwortung und die Verpflichtung, unseren Beitrag zum Umweltschutz zu leisten", heißt es im Bericht zur ökologischen Nachhaltigkeit der Bavaria Film. Das betrifft auch die Kino- und TV-Produktionen, die auf dem Filmgelände gedreht werden. Aber wie können Filme und Serien überhaupt nachhaltig produziert werden? Die AZ hat bei der Bavaria Fiction, einer Tochtergesellschaft der Bavaria Film und ZDF Studios, nachgehakt.

"Green Shooting" bei Bavaria Fiction: So werden grüne Filme produziert

Kulissenbau, Dreharbeiten, Transport, Catering – eine große Produktion, wie etwa ein Blockbuster, ist mit vielen verschiedenen und aufwendigen Arbeitsschritten verbunden. Der Stromverbrauch kann dabei immens und die Belastung für die Umwelt entsprechend hoch sein. Die Bavaria Film Gruppe hat sich deshalb 2021 zur Implementierung von Nachhaltigkeitskriterien in der Produktion verpflichtet und stellt seit Januar 2022 alle neuen Projekte nach den ökologischen Vorgaben des bundesweiten Arbeitskreises "Green Shooting" her.

Teil dieses Arbeitskreises ist es zu gewährleisten, dass deutsche Kino-, TV- und Streaming-Produktionen einen ökologischen Mindeststandard erfüllen. Von der Preproduction bis zur Postproduction sollen die CO2-Emissionen auf ein Minimum reduziert werden. Die dafür notwendigen Mindeststandards wurden in mehrere Bereiche, wie Wechsel zu Ökostrom, Verzicht auf Dieselgeneratoren (wenn möglich), Verbot von Einwegbatterien, Beleuchtung auf LED-Scheinwerfer umstellen und umweltfreundliches Reisen unterteilt. Auch der Einsatz eines sogenannten "Green Consultant" ist dabei wichtig.

Unterstützung durch einen "Green Consultant"

Für die Bavaria Fiction ist Tobias Wolf als "Green Consultant" tätig und unterstützt die Produktionen in der Umsetzung dieser Mindeststandards. Seit 2019 ist er als grüner Berater beim Film tätig und betreut seit Oktober 2021 alle Produktionen der Bavaria Fiction. "Vor allem im Film und TV-Bereich haben wir eine Verantwortung, weil bei der Herstellung von Filmen recht viel Emissionen verursacht werden", erklärt er im Gespräch mit der AZ. "Als Zuschauer*in vor dem Bildschirm oder der Leinwand ist man sich dessen oft nicht bewusst. Es steckt viel Logistik, Technik, viele Mitarbeiter*innen und Equipment dahinter."

Um Film- und TV-Teams entsprechend zu beraten und die grünen Vorgaben gut umzusetzen, ist Tobias Wolf auch selbst beim Dreh involviert. Mit den verantwortlichen Stellen erarbeitet er Ideen und Lösungen, wie umweltfreundlicher gearbeitet und gefilmt werden kann. Nach dem Dreh wird der Abschlussbericht und die CO2-Bilanz für die Produktion erstellt. "Für Produktionen sind Energie und Mobilität die größten Emissionstreiber. Für den Bereich Energie haben wir eine tolle Ausgangssituation auf dem Bavaria Film Gelände, weil wir 100 Prozent Ökostrom beziehen. Im Bereich der Mobilität versuchen wir, auf Reisen oder lange Fahrten möglichst zu verzichten und auf Zugfahrten und nachhaltige Unterbringung zu setzen." Aber auch beim Catering, Kulissenbau und Requisiten wird auf den ökologischen Fußabdruck geachtet. So gibt es meist Verpflegung aus regionalem Anbau und es werden wiederverwendbare Materialien für Deko und Kostüm verwendet.

Die Maßnahmen zur Umsetzung einer grünen Film- oder TV-Produktion sind allerdings nicht umsonst, Produktionen müssen zum Teil Geld investieren. "Es gibt viele Maßnahmen, die lassen sich schnell und auch kostenneutral umsetzen. Bei anderen wiederum muss man investieren, wie etwa Lichttechnik und Fahrzeuge. Diese können sich später allerdings amortisieren", erklärt der "Green Consultant" der Bavaria Fiction. "Es ist leider noch nicht so weit, dass die Umsetzungen grüner Maßnahmen vollständig kostenneutral passieren können, es fallen trotzdem Mehrkosten an."

Label "Green Motion" als Kennzeichnung für eine grüne Produktion

Um im Abspann auch als grüne Produktion sichtbar zu sein, hat der Arbeitskreis "Green Shooting" das Label "Green Motion" kreiert. Doch dafür müssen 18 von 21 Vorgaben der ökologischen Mindeststandards erfüllt werden. "Der Bericht über die Produktion geht an den Auftraggeber oder Sender, der ebenfalls Teil des Arbeitskreises ‚Green Shooting‘ ist, und dort wird dann geprüft, ob das Label vergeben werden kann. Zusätzlich gibt es noch eine externe Prüfinstanz, die checkt, ob die Maßnahmen und Vorgaben eingehalten wurden", so Tobias Wolf.

Sollten nicht die benötigten Vorgaben erfüllt worden sein, kann das Label entsprechend nicht vergeben werden. "Es kann mitunter sehr frustrierend sein, wenn man sich angestrengt hat, um die entsprechenden Maßnahmen umzusetzen, und dann das Label trotzdem nicht vergeben wird. Manchmal kann man aber aufgrund von Verfügbarkeiten und der aktuellen Krise gewisse Punkte nicht erfüllen. Trotzdem kann das Label nicht vergeben werden, wenn nicht genug Kriterien erfüllt wurden."

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